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Nichtstun lernen
Wie lernen wir uns und unseren Kindern Pausen zu machen

Pause machen. Sich Ruhe nehmen. Ruhe geben. Rasten, „faulenzen“, „lanzeln“. Auszeit nehmen. Genießen und nachgeben. Mittagsschlaf. Powernap. Nichts tun...

In unserer westlichen Welt sind diese Worte zumeist eher negativ besetzt. Es geht in unserer Kultur zumeist nämlich darum möglichst viel zu schaffen und zu erreichen, zu verdienen und zu leisten. Nicht umsonst zeichnet sich eine Leistungsgesellschaft durch „gestresst sein“ und „keine Zeit haben“ aus. Das sind zum Leid unserer Gesundheit immer noch sogenannte Prestige-Anzeiger, was bedeutet, dass diese Aussagen leider größtenteils immer noch zu Anerkennung und Ansehen in unserer Gesellschaft führen.

Es geht beinahe Tag und Nacht darum alles zu optimieren, jeden Bereich unseres Lebens und natürlich auch uns selbst, ständig. Das verursacht auf Dauer Hektik und Stress, wofür wir einfach nicht ausgelegt sind. Wir Menschen sind nicht dazu gemacht ständig zu arbeiten und Leistung zu erbringen. Wir sind dazu gemacht kurzzeitig sehr viel zu erledigen, das ist auch gesund und wichtig. Um dafür gerüstet zu sein, gibt’s sogar einen Extra-Kick an Hormonen von uns – für uns: Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus der Nebennierenrinde. Danach sollten wir aber wieder langsam zur Ruhe kommen und den Stress schön abbauen mittels Pausen.

Viele von uns vergessen beim alltäglichen Alles Machen und Alles-Geben, dass Pausen, das heißt Nichtstun, ein notwendiger Teil unseres Lebens sind und dass wir sie uns nicht nur gönnen sollten, sondern sie tatsächlich brauchen, um gesund zu bleiben. Wir benötigen die Ruhe, wir brauchen Auszeiten, genügend Schlaf und tägliche Pausen.

Burnout ist mittlerweile ein allerseits gängiger Begriff. Dieses Sich-Aufbrauchen und im schlimmsten Fall Ausbrennen, kann fatale und langfristige Folgen haben. Betroffene leiden massiv unter der Erschöpfung und tun sich sehr schwer beim Umlernen alter Gewohnheiten. Pausen zu machen und Ruhe geben zu können, sind Voraussetzungen, mithilfe derer sich jede und jeder Erschöpfungszustände ersparen kann.

Wie und wann lernen wir also am besten auf uns Acht zu geben, indem wir uns Ruhe nehmen? Und woher können wir das erlernen, in einer Welt wie der unsrigen?

Erwachsene können sich mit ihren alltäglichen Gewohnheiten auseinandersetzen, wenn sie möchten. Um zu erlernen, achtsamer mit sich und seinen Kräften umzugehen, kann man Bücher lesen und sich Hilfe bei Lebens- und SozialberaterInnen oder auch TherapeutInnen holen. Doch eigentlich fängt alles mit der Kindheit an: Würden wir unseren Kindern beibringen, dass Ruhe geben und Nichtstun gesund sind und einen ganz wichtigen Teil des Tages darstellen, würden wir ihnen ein Geschenk für ihr gesamtes Leben mitgeben.

Wir bringen unseren Kindern sehr vieles bei, der Terminkalender der meisten Kinder ist voll und der Förderplan meist lange. Pausen machen – richtig Ruhe geben, das lernen wir ihnen zumeist nicht oder nicht richtig. In einer Welt voller Reize sind aber Ruhezeiten mitunter am Wichtigsten für die Kleinen. In den Ruhezeiten lernen und entwickeln sich Kinder auch. Mitunter entwickeln sie genauso viel weiter, wie in den aktiven Momenten, in denen sie etwas erleben. Durch die Pausen kommen sie dann zur Ruhe, sie können ihre Energie auftanken und wieder Kraft sammeln für weitere Erlebnisse. Ruhepausen sind außerdem äußerst hilfreich beim Verarbeiten von Erlebtem.

Wie lernen Kinder denn am besten und schnellsten? Da sind sich diverse Erziehungsratgeber und Eltern einig: Kinder lernen am meisten und schnellsten durch Abschauen und Nachmachen. Da wird auch viel weitergegeben was so mancher Elternteil nicht so gerne möchte. Wir eignen uns mitunter unbewusst an, was wir sehen, das unsere Umgebung tut. Wachsen wir also in einer Umgebung auf, in der Pausen machen als „faul“ gilt, werden wir das verinnerlichen und uns eventuell später selbst antreiben und verurteilen wenn wir Ruhe geben. Lernen wir aber, dass Ruhen und sich Auszeiten nehmen durchaus anerkannt und normal ist, verinnerlichen wir diese Sichtweise und leben dieses Verhalten in unserem Leben.

Ein praktisches Beispiel aus meinem Freundeskreis: Meine beste Freundin hat mittlerweile drei Kinder im Abstand von je ca. einem Jahr, die älteste ist mittlerweile 6 Jahre. Die drei lernen gerne und spielen viel. Sie haben aber auch mit und durch meine Freundin gelernt, dass Ruhe geben und Pause machen normal ist. Ruhen gehört dazu, wie etwa Hände und Mund waschen nach dem Mittagessen.

Mich, selbst ein Kind notorisch gestresster Eltern, die sich selbst kaum Ruhe gönnten, hat das damals begeistert, als ich das gehört habe: „Mittags machen sie eine halbe Stunde bis Stunde Pause“ – das braucht meine FreuUnsndin als Mama, sagt sie, das brauchen aber auch die Kinder. Und sie schätzen es mittlerweile sehr und verlangen sogar „ihre Pause“. Was in dieser Pause gemacht wird? Nichts. Ruhe geben. Wer möchte kann lesen, wer schlafen will, kann schlafen.

So etwas Einfaches und doch Besonderes in unserer Zeit. Unseren Kindern vorleben, dass Entspannung und Leistung zusammengehören ist ein Schlüssel, um mental gesund zu bleiben. Das tut uns allen gut. Die eigene Ruhe überträgt sich auf unsere Kinder und trägt dabei entscheidend dazu bei, dass auch diese den Zugang zu mehr Entspannung im Leben finden. Astrid Lindgren bringt die Sache mit folgenden Worten einfach auf den Punkt: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“ Wie recht sie hat!

Ich selbst spreche aus Erfahrung, denn selbst habe ich mir langsam und eher mühsam erarbeitet, was Pausen sind und dass man Ruhe geben und auch haben darf. Der ganze Prozess hat bei mir in etwa 30 Jahre und einen nicht so tollen Erschöpfungsprozess, inklusive Therapie gebraucht, bis ich heute verinnerlicht habe, dass uns Pausen zustehen und unbedingt notwendig sind. Pausen sind keine Belohnung, sondern ein To-Do, das wir in den Alltag einbauen sollten, um gesund zu bleiben. Unseren Kindern vorzuleben, dass wir uns selbst Pausen nehmen und nicht gönnen, ist wohl der sinnvollste Weg der nächsten Generation das beizubringen, was ihnen weiterhelfen wird: Täglich Auftanken, in dem Ausmaß das ihnen selbst gut tut.

Autorin: Isabella Schwärzler ist Lebens- und Sozialberaterin, Sozialpädagogin und Philologin. Sie nimmt sich täglich ihre Auszeiten und Pausen, besonders gern in der Natur, um wieder aufzutanken und gesund zu bleiben. Weitere Informationen finden Sie hier...


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